Haben Sie schon vom neuen Google Analytics 4 (GA4) gehört? Das neue Tool vom Suchmaschinen-Giganten aus Silicon Valley wurde im Herbst 2020 vorgestellt und soll mittelfristig seinen Vorgänger Universal Analytics (UA) ablösen. Und die neue Version hat es in Sachen Veränderungen in sich. Wer sich bisher einen Spezialisten für das Trackingprogramm nennen durfte, darf es zwar nach wie vor. Nichtsdestotrotz werden auch Analytics-Füchse ihre grauen Zellen ordentlich in Fahrt bringen müssen, um das durch und durch neu konzipierte GA4 voll und ganz zu verstehen. Wir wollen einen Blick darauf werfen, was Google der Menschheit mit dem neuen Lieblingsspielzeug zahlreicher Marketing-Abteilungen beschert hat.
Optimiertes UI, umständlichere UX
Fangen wir an der Oberfläche an, sodass wir uns nicht allzu lang damit beschäftigen müssen. Das User Interface wurde angepasst, wobei zum Teil darauf geachtet wurde, es intuitiver und einfacher zu gestalten.
Das wirkt sich selbsterklärend auf die User Experience aus, wobei das nicht automatisch bedeutet, dass es diese maßgeblich verbessert. Für den Anfang bedeutet das: Hat es gar nicht. Das Programm ist insgesamt komplizierter geworden und setzt beim Anwender umfassende Erfahrung und viel Zeit voraus.
Ein einfaches Beispiel ist die Übersichtsseite: Der altbekannte Overview-Graf ist zwar neu und detaillierter (optimierte Datenanalyse dank Machine Learning) gestaltet, daher aber auch schwieriger zu lesen.
Der User im Zentrum (User Centric)
Jedoch sind diese tiefgreifenden Veränderungen einer einfachen Tatsache geschuldet, die sich wie ein roter Faden durch ein hypothetisches Modifikationsprotokoll zieht. Die Devise bei GA4 lautet nämlich: Die User und ihr Verhalten auf der eigenen Website und dem eigenen Onlineshop stehen nun im Vordergrund, nicht mehr die Seitenaufrufe. Das leitet sogleich die erste große Neuerung ein.
Während die wichtigste Metrik bisher Seitenaufrufe (Pageviews) waren, wurde das Arsenal weiter ausgebaut. Was zunächst verwirrend, aber trotzdem nachvollziehbar ist, ist daher die neue Terminologie, die verwendet wird. Aus Sessions werden daher Events (Ereignisse), um den breiteren Umfang an Metriken gerecht zu werden.
Auf dem Vorgänger UA waren die Berichte schon vorgefertigt, da sie sich eigentlich nur auf einen Kernaspekt reduzieren lassen konnten. Ein typischer Bericht folgte dem Duktus: Sitzungen, neue Sitzungen in %, Neue Nutzer, Absprungrate – in dieser Reihenfolge.
Das sind die neuen Metriken
- Pageview: die altbekannten Seitenaufrufe
- Scrolls: Wird protokolliert, falls der User mindestens 90 % der Seite hinunterscrollt
- Klicks auf ausgehende Links: Klicks auf einen externen Link wird protokolliert
- Website-Suche: Misst die internen Suchanfragen Ihrer Nutzer
- Video-Engagement: Zählt die Interaktion mit Ihren eingebetteten Videos
- Downloads: Wie oft werden Dokumente Ihrer Seite heruntergeladen?
Die Vorteile des Eventsystems
Und hier lässt sich genau erkennen, was mit dem neuen User Centric-Ansatz gemeint ist. Marketer und wer sonst UA gewohnt ist und nun auf GA4 umsteigt, muss, kurz gesagt, seine Denkweise anpassen.
Es geht nicht mehr darum, einfach den vorgefertigten Bericht zu öffnen und die Seitenaufrufe anzusehen, um anhand dessen Parameter und Ziele festzulegen. Google hat erkannt, dass das Verhalten der User auf verschiedenen Ebenen ableitungswürdige Faktoren bietet, die in einem Bericht einfließen können.
Das Eventsystem verspricht detailliertere, flexiblere und unterm Strich erfolgversprechendere Analysen als zuvor. Die Crux dahinter: Die Berichte müssen selbst zusammengestellt werden und machen die Analyse daher etwas zeitaufwändiger.
Ein weiterer Aspekt, der den Fokus von der Session auf den User legt: Die Bounce Rate (Absprungrate) wurde abgeschafft und heißt nunmehr Engagement Rate (Interaktionsrate). Es ist nicht mehr wichtig, ob User schon nach kurzer Zeit die Session beenden. Vielmehr wird darauf geachtet, was User in der kurzen Zeit gegebenenfalls gemacht haben.
In die Engagement Rate fallen Sitzungen, die länger als 10 Sekunden gedauert haben; in denen der User ein Conversion-Ereignis ausgelöst hat; oder in denen mindestens zwei Seiten aufgerufen wurden.
Die Revolution: Cookieless Tracing
Die nächste, fast schon revolutionäre Neuerung ist das Tracken ohne Cookies (cookieless tracing). Während Cookies vor zwei Jahren bei der Einführung der neuen Europäischen Datenschutzrichtlinien (GDPR) eine Hauptrolle spielten, werden sie in GA4 in eine Nebenrolle gedrängt.
Das hängt einerseits klar mit eben den GDPR zusammen, andererseits aber auch mit der Unzuverlässigkeit der daraus ableitbaren Daten: Greife ich nämlich von verschiedenen Geräten oder unterschiedlichen Browsern auf eine Seite zu, so werden Cookies jedes Mal neu gespeichert und ich werde jedes Mal als Unique User vermerkt, vorausgesetzt die Seite verfügt über keine Login-Funktion (wobei auch hier auf UA die Daten vor und nach dem Login unabhängig voneinander registriert wurden).
Mit dem cookieless tracing tun sich bei der Datensammlung einige Lücken auf. Doch auch dafür hat Google eine Lösung parat. Fehlende Datensätze werden zukünftig mit Modellierungssätzen ergänzt.
Fazit: Killer!
Insgesamt erweist sich das ganze Drumherum bei GA4 als äußerst kompliziert, sodass auch bei Nerds wie uns die Sicherungen langsam an Temperatur gewinnen. Wir merken an: Wir haben nur an der Oberfläche gekratzt, nur den Schleier, der über dem großen Ganzen liegt, begutachtet. Aber genau der Schleier spielt in diesem Fall die Musik.
Und wir können ruhigen Gewissens sagen: Freut euch auf die Möglichkeiten, die GA4 nach einer gewissen Eingewöhnungsphase bietet. Vom Fokus auf Sitzungen zum Fokus auf den Nutzer: Diese entscheidende Wendung, gepaart mit Machine Learning und cookie-freier Datensammlung macht G4 ein Killer-Analyse-Tool der Zukunft.