Wir sind Nerds und wir brüsten uns gerne damit. Was vor 20 Jahren in US-amerikanischen Teenie-Filmen noch Anlass für eine Tracht Prügel war, ist heutzutage fast schon ein Qualitätsmerkmal und bringt einen gewissen Charme mit sich. Außerdem erteilen wir uns mit dieser Bezeichnung die Lizenz zum Klugscheißen. Diese nutzen wir heute wieder und wenden sie an einem Bereich an, der in unserer Webagentur seit geraumer Zeit eine wichtige … nun ja … zumindest eine Rolle spielt: Kommunikation und Textproduktion im Web und deren Funktion für Unternehmen.

[Dieser Artikel ist ein Einführungsartikel zum Thema Sprache im Web. Die hier behandelten Themen werden wir in den nächsten Wochen in eigenen Artikeln ausführlicher behandeln.]
Die digitale Welt hat unseren Sprachgebrauch in vielen Bereichen eingegrenzt und gleichzeitig bereichert. Kürzere Sätze, einfachere Sprache, praktische Abkürzungen und lustige Emojis, um dem Ganzen Emotion zu verleihen.
Wir gehen heute auf die Sprache im Web ein und was Unternehmen damit bewirken können. Denn drehen wir an einigen Stellschrauben, können wir in der Unternehmenskommunikation viel bewirken.
Der Wandel der Sprache
Sprache ist sehr dynamisch und verändert sich stetig. Einer der ersten Innovatoren der deutschen Linguistik war niemand Geringeres als Martin Luther. Der Mann, der das Christentum mit seinen Thesen kurzerhand auf den Kopf gestellt hat, war ein großer Verfechter der einfachen Sprache.
Daher ist er auch für die derzeitige Entwicklung eine Referenz. Denn was Luther vor einem halben Jahrtausend mit seiner Bibelübersetzung vom Lateinischen ins Deutsche in Gang gebracht hat, zieht sich nunmehr durch unsere Sprachgeschichte. Und ist mittlerweile mit der Digitalisierung der Sprache an seinem vorläufigen Höhepunkt angelangt: die Vereinfachung der Sprache.

„[M]an muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.“ (Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen)
Luther wusste also schon: Man muss den Menschen aufs Maul schauen. Uns gefällt diese Formulierung, daher lassen wir sie mal unkommentiert so stehen. Und übertragen das Ganze auf die Anforderungen an das Web und dessen Sprache.
Denn mit der zentralen Rolle, die das Web in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft eingenommen hat, haben sich viele Verhaltensweisen der Menschen geändert. Wir tendieren dazu, uns weniger zu merken, weil sowieso alles sofort nachschlagbar ist. Wir sind ungeduldiger, da wir alles eigentlich umgehend mit einem Klick haben können. Und wir lesen weniger, sondern scannen viel mehr – denn wir können bei Bedarf jede Information gezielt und punktuell suchen, ohne eine ganze Abhandlung lesen zu müssen. (Falls ihr bis hier alles Wort für Wort gelesen habt: Ich verneige mich!)
Diese veränderten Voraussetzungen sorgen dafür, dass wir im Web kreativer, gezielter und ökonomischer kommunizieren müssen.
Wenngleich dies noch lange nicht das vollständige Spektrum der – nennen wir sie – Websprache umfasst, haben wir drei zentrale Begriffe erörtert, die jeweils eine kreativere, gezieltere und ökonomischere Sprache umreißen. Demnach sprechen wir respektive über Storytelling, Tonalität und UX Writing.
Storytelling – die letzte Bastion der schönen Sprache im Web
Wie vorher schon erwähnt: Der Sprachgebrauch im Web hat sich dahingehend entwickelt, dass wir knapper, gezielter und pragmatischer kommunizieren. Umso erstaunlicher ist es, dass sich in den letzten Jahren mit Storytelling eine Erzählmethode in der Textproduktion durchgesetzt hat, die so gar nicht in dieses Schema passt.
Storytelling belebt die schöne Sprache und konstruiert Zeit und Raum, also eine Erlebniswelt um das zentrale Thema in einem Text. Dabei ist es unerlässlich, ob es um das spannende, mitreißende Leben eines Extrembergsteigers geht oder um eine neuartige Klobürste mit nachhaltigen Borsten.

Das Ziel des Storytelling liegt darin, Userinnen mittels Sprache emotional zu berühren. Ihnen mit Videos, Bildern und anderen, den Text ergänzenden Medien ein gutes Gefühl zu vermitteln und Empathie für die Thematik hervorzurufen.
Diesen Trend haben wir Social Media wie Instagram oder YouTube zu verdanken. Diese bildbasierten Medien bauen ihre Strategie auf die Emotionen ihrer Verbraucher auf. Sie sprechen Menschen über emotional aufgeladene Inhalte an, die diese unmittelbar mit deren nonverbalen Sprache treffen sollen.
Es kann im Web als letzter Hafen einer verspielten, prosaischen, bildhaften Sprache angesehen werden.
Tonalität – funktionale Sprache schön verpackt
Die Tonalität einer Sprache ist eine komplexe Angelegenheit. Wir versuchen an dieser Stelle eine einfache, verständliche Erklärung zu liefern, die jedoch der Tragweite des Begriffs nicht 100 % gerecht wird.
Mit der Tonalität verstehen wir die Form und Atmosphäre, die die von uns gewählte Sprache mit sich bringt. Nehmen wir unsere Tonalität als Beispiel: Bei Kreatif versuchen wir eine direkte, selbstbewusste, einfache Sprache zu verwenden. Gleichzeitig wollen wir, dass unsere Botschaften als freundschaftlich, humorvoll und bisweilen etwas verpeilt aufgenommen werden.
Mit der Tonalität strebt ein Unternehmen an, auf authentische, jedoch klar festgelegte Art und Weise mit den Menschen zu kommunizieren. Die gewählte Sprache folgt klaren, zielorientierten Regeln, die sich wie ein roter Faden durch E-Mails, Werbebotschaften, Blogs und anderen schriftlichen Quellen zieht.
Klarerweise bedarf es auch hier gewisser Kreativität und es darf manchmal auch etwas verspielter zugehen – das kommt ganz auf das Unternehmen an. Jedoch ist die Tonalität ein anschauliches Beispiel für die Einschränkung der Sprache.

Denn eine funktionale Tonalität bringt Voraussetzungen fürs Web mit, die den Gebrauch der Sprache stark regeln, zumal man sich an die Lesegewohnheiten der Rezipienten anpassen muss.
Neben zahlreichen individuell gestaltbaren Regeln sollten folgende Richtlinien die gesamte Tonalität umrahmen:
- Aktive Sätze statt passiv
- Verständlich konstruierte Sätze
- Wenig Nominalstil (außer man arbeitet in einer Anwaltskanzlei)
- Kurze Absätze
- Klar abgegrenzte Sinneinheiten (Unterüberschriften)
- Persönliche Sprache
Auf dieser Grundlage erstellen auch wir Tonalitys für Unternehmen, um eine funktionale und effiziente externe und auch interne Kommunikation zu gewährleisten.
UX Writing – Websprache für Dummies
Wir schicken voraus: Das U in Dummies liest man wie im Englischen als A. Somit wird im UX Writing nicht Sprache für Dumme produziert, sondern im übertragenden Sinn für Menschen ohne Vorwissen oder für solche, die eine Anleitung benötigen (Dummy = Englisch für Übungspuppe).
UX Writing dient im Web dazu, den User durch eine stark vereinfachte, zielgerichtete und reduzierte Sprache durch einen Webauftritt zu führen. Diese Methode kommt dem Leseverhalten im Web – dem Scannen – entgegen und bietet Inhalte, die der Nutzer leicht aufnehmen und verarbeiten kann. Außerdem hilft sie Usern, sich auf der Seite zu orientieren. Sie ist daher ein integraler Bestandteil der User Experience, daher auch der Zusatz UX.

Auch hier kommt die Empathie nicht zu kurz, wenngleich auf einer anderen Ebene als im Storytelling. Im UX Writing geht es darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Probleme sich Usern bei der Navigation in den Weg stellen können. Demnach werden textbasierte Wegweiser eingebaut, sodass jede und jeder sich so einfach wie möglich im Webauftritt orientieren kann.
Eine ganz klassische Form davon sind die Buttons mit den charakteristischen Beschriftungen „Mehr erfahren“ oder „Weiter“. Doch Webauftritte werden zunehmen komplexer und sind teilweise selbst Programme (Web-Applikationen). Daher werden auch die sprachlichen Anforderungen auf solchen Plattformen immer umfangreicher – es muss mit wenig Text sehr viel gesagt, also ökonomisch gesprochen werden.
Sprache im Web – a never ending story
Wir haben hier kurz umrissen, inwiefern sich die Sprache an die Rahmenbedingungen angepasst hat, die das Web dafür bietet. Durch neue Anforderungen der Nutzer und daher abgeleitete Verhaltensweisen entwickelt sich Sprache im digitalen Raum zunehmend zu einem Werkzeug.
Der künstlerische Aspekt verliert zunehmend an Bedeutung und bleibt der Literatur und mit Abstrichen dem Journalismus vorbehalten.
[Dieser Artikel ist ein Einführungsartikel zum Thema Sprache im Web. Die hier behandelten Themen werden wir in den nächsten Wochen in eigenen Artikeln ausführlicher behandeln.]